stories: Markt & Zahlen
/ April 2024
Black Box “Private Immobilienfinanzierungen"
Warum werden so viele Finanzierungsanfragen abgelehnt? Eine Spurensuche.
Das Setting scheint perfekt: Der gutverdienende Privatinvestor interessiert sich für ein Mietshaus mit acht Wohnungen in guter Lage Leipzigs. Kaufpreis: 1,5 Millionen Euro. Er verfügt über 300.000 Euro Eigenkapital. 1,2 Millionen Euro, also 80 %, will er finanzieren. Es ist nicht seine erste Immobilieninvestition. Er legt dem Kreditvermittler, der Zugriff auf Hunderte Banken in ganz Deutschland hat, die wichtigsten Unterlagen vor: Unter anderem Eckdaten und Papiere zum Objekt, die Mietverträge seiner Eigentumswohnungen und den Nachweis der Mieteinnahmen, seinen Einkommensnachweis (brutto 100.000 Euro). Er bewohnt ein eigenes, längst abbezahltes Einfamilienhaus in einer deutschen Metropole, das ebenfalls als Sicherheit dienen könnte. Der Kredit wäre zudem durch die Mieteinnahmen des zu finanzierenden Hauses gedeckt, Mieterhöhungspotenzial ist vorhanden.
Eigentlich stimmte doch alles
So wie ihm geht es gerade vielen Privatinvestoren, die in Größenordnungen von ab einer Million Euro Immobilien erwerben möchten. Sie haben wieder Mut zum Kauf gefasst, zumal sich die Zinshöhe auf einem moderaten Niveau von um die 3,4 % (für dieses Beispiel) eingependelt hat. „Banken müssten doch froh sein, nach dem Krisenjahr 2023 endlich wieder Geschäfte zu machen“, denkt sich unser verhinderter Investor.
Zwar berichten Deutschlands Kreditvermittler von „mehr Anfragen“, gerade auch im Vergleich zum schwachen Vorjahr. Doch „Anfrage“ heißt schließlich nicht „Zusage“. Offenkundig haben die Banken die Zügel angezogen und finanzieren bei Anträgen privater Investoren selbst nicht mehr Objekte, bei denen vermeintlich „alles stimmt“. Woran liegen diese vermehrten Absagen sogar bei Immobilien, die sich via Mieteinnahmen eigentlich „von alleine“ finanzieren und in guten Lagen von A- und B-Städten zu finden sind? Was sind die Kriterien der Banken, an denen dieses “Szenario scheitert“? Haben sich die Kriterien der Banken gar verschärft? Und was kann man tun? Eine Spurensuche.
Zwar berichten Deutschlands Kreditvermittler von „mehr Anfragen“, gerade auch im Vergleich zum schwachen Vorjahr. Doch „Anfrage“ heißt schließlich nicht „Zusage“. Offenkundig haben die Banken die Zügel angezogen und finanzieren bei Anträgen privater Investoren selbst nicht mehr Objekte, bei denen vermeintlich „alles stimmt“. Woran liegen diese vermehrten Absagen sogar bei Immobilien, die sich via Mieteinnahmen eigentlich „von alleine“ finanzieren und in guten Lagen von A- und B-Städten zu finden sind? Was sind die Kriterien der Banken, an denen dieses “Szenario scheitert“? Haben sich die Kriterien der Banken gar verschärft? Und was kann man tun? Eine Spurensuche.
Die Einnahmelücke
Ein Problem: Bei 70 % bis 85 % Eigenkapital decken die Mieteinnahmen zwar die Kreditrückzahlung. Allerdings ist dann auch alles auf Kante genäht. Einen Überschuss gibt es in unserem Beispiel nicht. Fällt einer von – in besagtem Fall – acht Mietern aus, wird es bereits eng. Damit wird aus Sicht der Banken das sichere persönliche Einkommen wichtig – erst recht, wenn man zu einer noch höheren Quote finanziert.
„Aber ich habe doch bereits andere Mieteinnahmen und verdiene als selbständige Unternehmensberater gut“, denkt sich der Investor. Richtig. Allerdings ist all dies in die Betrachtungen bereits eingeflossen. Andererseits hat er auch Ausgaben: für sein Haus, sein Privatleben und womöglich für die bestehenden Immobilien. Das nach Abzug aller Kosten verfügbare Einkommen reicht nicht aus – zumindest so, wie es die Banken aktuell kalkulieren. Zwar hat jede Bank unterschiedliche Berechnungsweisen, doch am Grundsatz ändert das nichts. Eine Bank in unserem Beispiel kommt auf eine Einnahmelücke von 500 Euro. Nicht viel, aber eben ein Minus. Negativ dürfte auch zu Buche schlagen, dass unser Mann selbständig ist. Er muss deshalb nicht nur die Steuerbescheide der vergangenen Jahre abgeben, sondern auch eine aktuelle BwA, eine betriebswirtschaftliche Auswertung, da er für 2023 noch keine Steuererklärung abgegeben hat – und selbst wenn, möchten die Banken auch etwas für das laufende Jahr sehen. Die BwA erstellt ihm sein Steuerberater. Sie bestätigt die 100.000 Euro Bruttoeinnahmen – aber diese sind eben im Vergleich zu Angestellten oder gar Beamten mit einem größeren Unsicherheitsfaktor belegt.
Zwischenfazit: Ein Problem bei hoher Fremdkapitalquote – und das ist die typische Vorgehensweise – sind die mittlerweile hohen Zinsen, die das Modell „Den Kredit zahlen meine Mieter ab“ aus Sicht der Banken an die Grenzen stoßen lassen. Zumindest wenn sich eine Einnahmelücke auftut. Auch monieren sie in diesem Fall, dass nach dem Eigenmitteleinsatz keinerlei Liquidität vorhanden sei. Ebenso sei „die Bedienbarkeit mit Renteneintritt nicht plausibel.” Obendrein wird eine immobilienlastige Vermögensverteilung kritisiert. Zwar hält der Privatmann 100.000 Euro in Aktien – aber der aktuelle Erlös würde vollständig für den Hauskauf aufgewendet werden. Nach dem Hauskauf hätte er keine Liquidität mehr – und nur noch Immobilien.
„Aber ich habe doch bereits andere Mieteinnahmen und verdiene als selbständige Unternehmensberater gut“, denkt sich der Investor. Richtig. Allerdings ist all dies in die Betrachtungen bereits eingeflossen. Andererseits hat er auch Ausgaben: für sein Haus, sein Privatleben und womöglich für die bestehenden Immobilien. Das nach Abzug aller Kosten verfügbare Einkommen reicht nicht aus – zumindest so, wie es die Banken aktuell kalkulieren. Zwar hat jede Bank unterschiedliche Berechnungsweisen, doch am Grundsatz ändert das nichts. Eine Bank in unserem Beispiel kommt auf eine Einnahmelücke von 500 Euro. Nicht viel, aber eben ein Minus. Negativ dürfte auch zu Buche schlagen, dass unser Mann selbständig ist. Er muss deshalb nicht nur die Steuerbescheide der vergangenen Jahre abgeben, sondern auch eine aktuelle BwA, eine betriebswirtschaftliche Auswertung, da er für 2023 noch keine Steuererklärung abgegeben hat – und selbst wenn, möchten die Banken auch etwas für das laufende Jahr sehen. Die BwA erstellt ihm sein Steuerberater. Sie bestätigt die 100.000 Euro Bruttoeinnahmen – aber diese sind eben im Vergleich zu Angestellten oder gar Beamten mit einem größeren Unsicherheitsfaktor belegt.
Zwischenfazit: Ein Problem bei hoher Fremdkapitalquote – und das ist die typische Vorgehensweise – sind die mittlerweile hohen Zinsen, die das Modell „Den Kredit zahlen meine Mieter ab“ aus Sicht der Banken an die Grenzen stoßen lassen. Zumindest wenn sich eine Einnahmelücke auftut. Auch monieren sie in diesem Fall, dass nach dem Eigenmitteleinsatz keinerlei Liquidität vorhanden sei. Ebenso sei „die Bedienbarkeit mit Renteneintritt nicht plausibel.” Obendrein wird eine immobilienlastige Vermögensverteilung kritisiert. Zwar hält der Privatmann 100.000 Euro in Aktien – aber der aktuelle Erlös würde vollständig für den Hauskauf aufgewendet werden. Nach dem Hauskauf hätte er keine Liquidität mehr – und nur noch Immobilien.
Unflexibles Schema F
Ein weiteres Problem liegt im System: Die Kreditvermittlung ist effizient, ja förmlich industriell durchorganisiert und funktioniert anhand einer Vielzahl von Kriterien auf Basis von Zahlen und Daten. Diese sind oft starr und lassen keinerlei individuell-persönliche Betrachtung zu. Es ist nicht so, dass hier beispielsweise ein Mitarbeiter der Stadtsparkasse Leipzig im Spiel ist, der das Viertel kennt oder einmal zum Haus fährt und feststellt, dass es für die Bank kein Risiko darstellt. Vielmehr sitzt unser Kreditnehmer in Hamburg und bemüht seine örtliche Hausbank und eine Kreditvermittlung wie Interhyp** oder Dr. Klein**. Diese speisen die Eckdaten zum Objekt und zum Kreditnehmer wie bei einer Rasterfahndung in eine Datenbank ein (deshalb sind in unserem Fall von mehreren Hundert Banken auch nur vier übriggeblieben, die angefragt werden konnten). Dass da ein Haus Mieterhöhungspotenzial hat – das der Käufer innerhalb des nächsten Jahres realisieren möchte – ist dort als Rubrik nicht vorgesehen.
Ein weiterer Punkt ist das Alter: Unser Investor ist Mitte 55. Er hat also nach standardmäßiger Betrachtung noch gut zehn aktive Berufsjahre vor sich. Damit wird die Altersvorsorge interessant, die sich die Bank ebenfalls ansehen möchte. Hinzukommt: Da die Zeit bis zur Abzahlung des Darlehens (bei zunächst 1 % gewählter anfänglicher Tilgung) bei 44 Jahren liegt, würde er dies mutmaßlich nicht mehr erleben. Wer übernimmt dann die Verpflichtungen? Eine Tilgung von 2 % würde die Zeit auf knapp 30 Jahre verkürzen. Dann wäre er 88.
Ein weiterer Punkt ist das Alter: Unser Investor ist Mitte 55. Er hat also nach standardmäßiger Betrachtung noch gut zehn aktive Berufsjahre vor sich. Damit wird die Altersvorsorge interessant, die sich die Bank ebenfalls ansehen möchte. Hinzukommt: Da die Zeit bis zur Abzahlung des Darlehens (bei zunächst 1 % gewählter anfänglicher Tilgung) bei 44 Jahren liegt, würde er dies mutmaßlich nicht mehr erleben. Wer übernimmt dann die Verpflichtungen? Eine Tilgung von 2 % würde die Zeit auf knapp 30 Jahre verkürzen. Dann wäre er 88.
Werthaltigkeit
Worum geht es einer Bank? Sie denkt einzig und allein daran, dass der Kredit zurückgezahlt wird. Und dabei kalkulieren die Kreditinstitute immer auch den schlimmsten Fall ein: Dass es Mietausfälle gibt, unabsehbare Investitionen, die die Liquidität zusätzlich belasten – oder den eher unwahrscheinlichen Fall, dass die Rückzahlung ganz ausbleibt. Natürlich hat die Bank via erstrangigem Grundschuldeintrag Zugriff auf das Haus. Doch auch hier wird nicht der aktuelle Kaufpreis angesetzt, sondern je nach Kreditgeber nur ein Beleihungswert von 60 bis 80%. Und damit es nicht zum Äußersten kommt, ist die „sonstige Vermögens- und Einkommenssituation des Kreditnehmers“ wichtig, wie es die ING Diba betont: „Welche finanziellen Verpflichtungen hat er noch? Wie hoch ist das Ausfallrisiko, kann er dauerhaft die Rate bedienen?“, teilt die ING Diba** mit.
Die ING Diba** jedenfalls nimmt in diesem Segment keine erhöhte Ablehnungsquote wahr. Aus ihrer Sicht haben sich die Kriterien in letzter Zeit auch nicht verschärft – außer, dass sie nicht mehr 100 % des Immobilienwertes finanzieren – sondern nur 95 %.
Auflagen und Regulierung
Valeria Honal, Unternehmenssprecherin der Interhyp**, Deutschlands größtem Vermittler von Immobilienkrediten, sagt hingegen: „Wir beobachten, dass einige Banken in letzter Zeit besonders bei höheren Verschuldungsgraden genauer hinsehen und strengere Auflagen haben. Gleichzeitig sehen wir, dass Institute beim Thema Bewirtschaftungskosten noch einmal differenzierter vorgehen. Die Bewirtschaftungskosten in einem energieeffizienten Haus etwa entsprechend niedriger angesetzt werden als in einer unsanierten Bestandsimmobilie.“
Honal weiter: „Banken passen ihre Risikoprozesse laufend und bedarfsorientiert an. Die Institute treffen firmeninterne Entscheidungen, sind aber natürlich auch an regulatorische Vorgaben gebunden. Teilweise erfordern diese Vorgaben beispielsweise einen größeren Kapitalpuffer oder verstärkte Nachweispflichten. Grundsätzlich wird in Deutschland sehr solide finanziert, die Kreditausfallrisiken sind weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau.“
Es gibt also eine Vielzahl an Punkten, die für die Banken ein Ausschlusskriterium darstellen können, obwohl die Mieter den Kredit des Vermieters zurückzahlen. Die Institute und mit ihnen die Kreditvermittler haben jeweils ein umfassendes Regelwerk aufgestellt, die eine Kreditentscheidung von vielen Kriterien abhängig machen. Keine Black Box, aber auch nicht vollständig nachvollziehbar. Hinzukommen gesetzliche Vorgaben.
Honal weiter: „Banken passen ihre Risikoprozesse laufend und bedarfsorientiert an. Die Institute treffen firmeninterne Entscheidungen, sind aber natürlich auch an regulatorische Vorgaben gebunden. Teilweise erfordern diese Vorgaben beispielsweise einen größeren Kapitalpuffer oder verstärkte Nachweispflichten. Grundsätzlich wird in Deutschland sehr solide finanziert, die Kreditausfallrisiken sind weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau.“
Fazit: Parallel fahren und hartnäckig bleiben
Es gibt also eine Vielzahl an Punkten, die für die Banken ein Ausschlusskriterium darstellen können, obwohl die Mieter den Kredit des Vermieters zurückzahlen. Die Institute und mit ihnen die Kreditvermittler haben jeweils ein umfassendes Regelwerk aufgestellt, die eine Kreditentscheidung von vielen Kriterien abhängig machen. Keine Black Box, aber auch nicht vollständig nachvollziehbar. Hinzukommen gesetzliche Vorgaben.
Der Tipp lautet daher: Nicht nur die eine Hausbank oder nur einen Immobilienfinanzierer ansprechen. Auch nicht nur einen Kreditvermittler – sondern gleich mehrere und am besten parallel statt nacheinander. Ein siebenstelliges Investment kommt einer unternehmerischen Tätigkeit gleich und da zahlt sich auch Hartnäckigkeit aus. Die Institute haben unterschiedliche Kriterien und Berechnungsweisen – und schließlich verdienen sie ihr Geld mit Krediten und nicht mit Absagen. Dies gilt vor allem auch bei Objekten, die nur im sehr unwahrscheinlichen Falle gegenüber dem Gesamtmarkt an Wert verlieren dürften.
Und daher sollte man auch nicht gleich aufgeben, wenn die Banken in der ersten Finanzierungswelle Absagen erteilen. Es lohnt sich durchaus, nach ein paar Wochen oder auch Monaten (solange das Haus dann noch zum Verkauf steht) einen weiteren Vorstoß zu wagen. So bietet sich die Chance, neue Banken mit anderen Finanzierungsrichtlinien kennenzulernen, womöglich lokale Finanzhäuser mit mehr regionalem Insiderwissen. Oder man profitiert von einem kurzfristig verändertem Zinsumfeld. Zudem lassen sich immer auch am eigenen Setup Verbesserungen vornehmen – entweder durch entsprechende Banken-Feedbacks aus der ersten Finanzierungsrunde oder durch eigene Ideen, wie etwa einer Co-Finanzierung durch Verwandte oder gute Bekannte.
Aber auch Verkäufer können etwas tun, damit das Objekt auch für die Bank attraktiver wird und das Geschäft doch noch zustande kommt: Wenn es Mieterhöhungspotenzial gibt, könnten Verkäufer diese rechtzeitig vor einem geplanten Verkauf realisieren. So stünde die Mieterhöhung nicht nur in den Sternen, sondern auch real in den Büchern, was gleichzeitig die Kreditbedienung verbessert.
Und daher sollte man auch nicht gleich aufgeben, wenn die Banken in der ersten Finanzierungswelle Absagen erteilen. Es lohnt sich durchaus, nach ein paar Wochen oder auch Monaten (solange das Haus dann noch zum Verkauf steht) einen weiteren Vorstoß zu wagen. So bietet sich die Chance, neue Banken mit anderen Finanzierungsrichtlinien kennenzulernen, womöglich lokale Finanzhäuser mit mehr regionalem Insiderwissen. Oder man profitiert von einem kurzfristig verändertem Zinsumfeld. Zudem lassen sich immer auch am eigenen Setup Verbesserungen vornehmen – entweder durch entsprechende Banken-Feedbacks aus der ersten Finanzierungsrunde oder durch eigene Ideen, wie etwa einer Co-Finanzierung durch Verwandte oder gute Bekannte.
Aber auch Verkäufer können etwas tun, damit das Objekt auch für die Bank attraktiver wird und das Geschäft doch noch zustande kommt: Wenn es Mieterhöhungspotenzial gibt, könnten Verkäufer diese rechtzeitig vor einem geplanten Verkauf realisieren. So stünde die Mieterhöhung nicht nur in den Sternen, sondern auch real in den Büchern, was gleichzeitig die Kreditbedienung verbessert.
*Die Beschreibung entspricht einem tatsächlichen Fall
**Die genannten Banken und Kreditvermittler sind in dem beschriebenen Fall tatsächlich involviert gewesen. Die Nennung der Unternehmen stellt keine Empfehlung dar und unterliegt keiner Bewertung.
**Die genannten Banken und Kreditvermittler sind in dem beschriebenen Fall tatsächlich involviert gewesen. Die Nennung der Unternehmen stellt keine Empfehlung dar und unterliegt keiner Bewertung.