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/ Juni 2022

Immobilien im Metaverse

Zukunftstechnologie mit Risikofaktor

Vor 20 Jahren ging die Computersimulation „Second Life“ an den Start. Sie gilt als ein frühes Metaversum, also als Vorreiter für das Konzept, das Mark Zuckerberg wieder populär gemacht und weitergedacht hat.

Seine Vision: Vollständige 3D-Orte, die hinter einer Virtual-Reality-Brille erlebbar und durch entsprechende Handschuhe auch anfassbar werden.
Bereits jetzt gibt es aber schon stark frequentierte virtuelle Orte, in denen man alternative Lebens-, Spiel- und Arbeitswelten durchstreift, in denen Menschen beziehungsweise deren virtuelle Zwillinge zusammenkommen. Wie in der realen Welt können diese Orte mit Gebäuden bebaut werden, die der Eigennutzung oder auch der Vermietung dienen. Deren Fassaden Werbeflächen sein können oder vollverglast den Blick nach innen erlauben, egal ob Läden, Galerien, Clubs, Casinos, Bars, Büros, Villen.

Ebenso wie in der realen Welt – zumindest bei den vier bekanntesten Metaverses Sandbox, Decentraland, Cryptovoxels und Somnium – ist das verfügbare Bauland begrenzt. Die Plattformen bieten ausdrücklich endliche Räume; zusammengenommen sind es bei diesen virtuellen Welten nur wenige Hunderttausend Parzellen. Vergleichsweise wenig für einen vermeintlich unendlich großen virtuellen Raum.

Nachbarschaft ist bares Geld wert

Vielleicht trifft das Angebot gerade durch diese Verknappung auf eine beachtliche Nachfrage: Für die Parzelle neben dem virtuellen Eigentum des Rappers Snoop Dogg – einer Simulation seiner echten Villa – soll ein Käufer 450.000 US-Dollar bezahlt haben.

Dass es sich bei dem Grundstück um ein Unikat handelt und dieses nicht einfach doppelt oder dreimal verkauft wird, ist dabei durch die als fälschungsresistente Technologie bekannte Blockchain besichert beziehungsweise durch sogenannte NFTs (Non Fungible Tokens). Dank dieser Token kann auch das virtuelle Eigentum an einem Gegenstand oder einer Immobilie zweifelsfrei und transparent zugeordnet werden.

Vermieter, Mieter, Käufer und Verkäufer: Wie in der realen Welt gibt es alle Akteure, die für einen funktionierenden Immobilienmarkt relevant sind. Es gibt sogar bereits Immobilienmakler, die sich allein auf die Vermittlung von virtuellen Liegenschaften spezialisiert haben. Dieser Markt sollte gerade von „klassischen“ Immobilieninvestoren keinesfalls unterschätzt oder sogar belächelt werden.
Das Transaktionsvolumen im Metaverse betrug 2021 dem Technologieunternehmen MetaMetrics Inc. zufolge rund 500 Millionen US-Dollar. Zum Vergleich: CBRE beziffert den Wert aller 2021 in Deutschland gehandelten Ärztehäuser, Krankenhäuser und Reha-Kliniken auf 508 Millionen Euro. Virtuelle Grundstücke waren 2021 also genauso begehrt wie reale Assets einer boomenden Immobilienanlageklasse in Deutschland, dem zweitgrößten Immobilienmarkt der Welt.

Für 2022 wird sogar prognostiziert, dass virtuelle Grundstücke die Milliardenmarke knacken, und viele sprechen von den Metaverse-Immobilienmärkten als nächstes großes Ding. Das Metaverse vor einem Jahr sei wie Manhattan im 18. Jahrhundert, verglich einer der Mitgründer der Plattform Sandbox die Situation – viel Bauland, wenig Gebäude.

Heute drängen Unternehmen wie Dolce & Gabbana, Gucci und Philipp Plein ins Metaverse und nutzen den Raum beispielsweise für eine virtuelle Fashion Week. Haben wir innerhalb eines Metaverse-Jahres im Zeitraffer die Entwicklung Hunderter realer Jahre erlebt? Konnte man im 18. Jahrhundert schon ahnen, welche Bedeutung und Anziehungskraft Manhattan als Immobilienstandort einmal haben würde?

Aktuell ist das Risiko noch zu groß

Allerdings hat sich seit Jahresbeginn die (reale) Welt bekanntlich dramatisch verändert, und das scheint auch auf die virtuelle Welt respektive den virtuellen Grundstückshandel abzufärben. So ist die Aktie eines der bekanntesten Metaverse-Plattformbetreibers namens Roblox zwischen Januar und Juni 2022 um 75 Prozent gefallen. Auch die Handelstätigkeit mit NFTs, die Kunstwerke oder andere Gegenstände repräsentieren, ist seit Jahresbeginn stark eingebrochen. Es zeigen sich deutliche Parallelen zur Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre.
Hinzu kommen generelle technologische und standortbezogene Risiken: Die in der Entwicklung befindlichen Metaversen konkurrieren um die Gunst der Nutzer. Sinken die Nutzerzahlen auf einer Plattform, dürfte das auf die Grundstückswerte einen Einfluss haben. Dementsprechend verhält es sich nicht anders als bei einer realen deutschen Innenstadt, die von Abwanderungstendenzen und sinkenden Frequenzen betroffen ist

Es kommen aber auch noch technologiebezogene Problempunkte hinzu. Was passiert mit den Immobilien, wenn eine Plattform gänzlich aufgeben muss und vom Markt geht? Oder wenn umgekehrt eine Plattform die künstliche Verknappung aufgibt und zusätzliche Parzellen erschafft? Außerdem sind die gängigen Metaversen bislang noch bei Weitem nicht so mit allen Sinnen „erlebbar“, wie sich Mark Zuckerberg dies zumindest vorstellt. Wenn ein Eigentümer einer virtuellen Immobilie mit seinem Investment womöglich nicht in die Gewinnzone kommt, solange die Technologie als State-of-the-Art gilt, drohen Werteinbußen.

Dementsprechend kann es sehr gut sein, dass es sich doch nicht um eine Aufbruchsstimmung à la Manhattan, sondern eher um „das nächste große Weiß-Nicht“ handelt, wie Brand Eins kürzlich gesagt hat? Aktuell sind die Risiken und auch die mögliche Volatilität für die allermeisten „klassischen“ Immobilieninvestoren zu groß – beziehungsweise stehen Chancen und Risiken in keinem auch nur annähernd ähnlichen Verhältnis zueinander, wie das bei realen Immobilien der Fall ist.

Es bleibt ein ernsthafter technologischer Kern


Brand Eins hat außerdem geschrieben: „Natürlich springen jetzt viele auf den Hype auf, weil sie hoffen, schnell etwas zu verdienen.“ Am Ende könne aber ein ernsthafter Kern übrigbleiben. Dementsprechend könnte es also mittel- bis langfristig durchaus einen stabilen Markt für virtuelle Räume und Immobilien geben. Hier liegen ebenfalls Parallelen zur Dotcom-Krise vor: Zwar sind die Unternehmen und ihre Produkte größtenteils von der Bildfläche verschwunden, die zugrunde liegenden Technologien haben sich jedoch langfristig durchgesetzt und bilden nun eine wichtige Grundlage unserer heutigen täglichen Kommunikation.

Es gibt also keinen Grund, sich vor virtuellen Immobilieninvestments generell zu verschließen. Die Mähren AG wird die Entwicklung in jedem Fall mit großer Aufmerksamkeit beobachten – und wer weiß, vielleicht sind wir bereits in zehn oder 15 Jahren auch ein digitaler Immobilienbestandshalter.