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/ August 2023

Kostenfaktor Grunderwerbsteuer

Die Bundesländer belasten Immobilienkäufer finanziell immer mehr – und verhindern so Wohnungsneubau

In Sonntagsreden von Politikern hat das Schaffen von „bezahlbarem Wohnraum“ einen festen Platz. Doch in der Realität drehen sie permanent an der Kostenschraube. Nach Berechnungen des Spitzenverbandes ZIA sind inzwischen 37 % des von einem Immobilienerwerber zu zahlenden Kaufpreises auf direkte staatliche Abgaben und Anforderungen zurückzuführen.

Ganz vorn dabei: Die Grunderwerbsteuer, die direkt in die Kasse des jeweiligen Bundeslandes fließt. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 wurde diese in die Zuständigkeit der Länder übertragen. Und genau in dieser Konstruktion liegt das Problem. Denn sie ist die bedeutsamste Quelle von Einnahmen, die nur ihnen zugutekommen. Daher zeigen die Bundesländer, die seit 2007 selbst über die Höhe entscheiden können, auch keinerlei Interesse an einer Absenkung. Was sie aber allein auch mit Blick auf ihren Haushalt tun sollten, wie wir gleich sehen werden.
Dass der Staat immer mehr zulangt, haben jüngst erst Hamburg und Sachsen unter Beweis gestellt: Seit Anfang 2023 gilt in beiden Bundesländern ein Steuersatz von 5,5 %. Sachsen hat dabei besonders deutlich erhöht. Dort waren vorher nur 3,5 % fällig. Diesen Spitzenplatz hält jetzt allein Bayern. Sage und schreibe 6,5 % vom Kaufpreis zahlen Käufer in Brandenburg, Thüringen, NRW, Schleswig-Holstein und im Saarland, wenn sie Grundstücke und Immobilien erwerben.

Grunderwerbsteuer: größter Posten bei Kaufnebenkosten

Damit gehört die Grunderwerbsteuer bis auf Bayern zu den größten Posten bei den Kaufnebenkosten. Für ein Drei-Millionen-Euro-Mietshaus in Berlin (Steuersatz 5,5 %) werden also unglaubliche 165.000 Euro fällig! In Düsseldorf (NRW: 6,5 %) wären es schon 195.000 Euro. Und dies ohne jeden Gegenwert. Nicht einmal die Eintragung ins Grundbuch ist inklusive. Die kostet extra.

Dabei wäre eine niedrigere Grunderwerbsteuer einer der wirksamsten Hebel, um Wohnraum günstiger machen. Denn selbstverständlich legen Vermieter diese Abgabe auf die Mieter um beziehungsweise ist sie Bestandteil der Kostenkalkulation. Genauso wie die alljährliche Grundsteuer, deren Höhe nach der Reform in den Sternen steht und von der allgemein befürchtet wird, dass sie ebenfalls steigen wird.

Bei klassischen Immobilientransaktionen führt kein Weg an der Steuerzahlung vorbei. Anders sieht es jedoch bei sogenannten Share-Deals aus: Hierbei wird nicht das Grundstück selbst, sondern Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft gekauft. Auf diese Weise entfällt die Grunderwerbsteuer – nach einer kürzlich erfolgten Reform jedoch nur, wenn man nicht mehr als 90 % erwirbt und die restlichen 10 % von einem Co-Investor mindestens 10 Jahre gehalten werden. Mit dieser Konstruktion spart man zwar massiv Steuern, hat aber auf Jahre nicht das alleinige Verfügungsrecht über die Immobilien.

Ist eine Senkung der Grunderwerbsteuer ein Booster für den Wohnungsbau?

Immobilienverbände schlagen daher vor, zumindest beim Erwerb von Baugrundstücken für den Mietwohnungsbau die Steuer auf null zu senken. Positive Reaktionen darauf gibt es noch nicht. Die Bundesregierung möchte ebenfalls laut Koalitionsvertrag den Bundesländern die Möglichkeit geben, die Grunderwerbsteuer flexibler zu gestalten. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) erinnerte daran in seinem Wahlkampf im Frühjahr 2023 und versprach dies potenziellen Häuslebauern. Doch obwohl die Länder die Höhe festsetzen, ist er abhängig von einer bundesweiten Regelung was Freibeträge oder bestimmte Zielgruppen betrifft. Aber auch hier ist bislang nichts passiert. Freilich könnte Hessen seinen Steuersatz von 6 % allein absenken – dann allerdings für alle.

 
Dass positive Effekte auf den Wohnungsbau nicht aus der Luft gegriffen sind und nur dem Forderungsvokabular von Lobbyverbänden entspringen, zeigt eine unabhängige Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel. Es analysierte die beiden Bundesländer Bayern und Sachsen, die ihre Grunderwerbsteuer im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern im Untersuchungszeitraum nicht erhöht hatten. „Eine Reduktion der Grunderwerbsteuersätze dürfte die Wohnungsbautätigkeit anregen, die derzeit angesichts der Zinswende ins Stocken geraten ist“, sagte Autor Jens Boysen-Hogrefe. Die Untersuchung habe ergeben, dass die Bauinvestitionen in Bayern zwischen 2011 und 2020 durchschnittlich um 8 % höher lagen, in Sachsen betrug die Differenz sogar 11 % als in vergleichbaren Bundesländern (für Sachsen andere neue Bundesländer, für Bayern waren es Baden-Württemberg, Hessen und NRW).
„Die Ergebnisse legen nahe, dass die Anhebung der Grunderwerbsteuersätze in den Vergleichsländern die private Wohnungsbautätigkeit belastet hat“, kommentierte Boysen-Hogrefe. Das erschreckend simple Fazit des Wissenschaftlers – mit dem er bei Politikern mutmaßlich auf taube Ohren stößt: „Der positive Einfluss niedriger Steuern auf Immobilientransaktionen insgesamt ist bekannt, offenbar ist eine Reduktion der Grunderwerbsteuer aber auch ein effektives Mittel, um speziell den Wohnungsneubau voranzutreiben, und könnte der Bauwirtschaft in Zeiten steigender Zinsen und Preise aus der Krise helfen.“