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/ April 2023

EU-Sanierungspflicht

Was kommt auf Besitzer von Mehrfamilienhäusern zu?

Hausbesitzer sind gerade dabei, die harten Pläne der Bundesregierung zu Gas- und Ölheizungen zu verdauen. Da kommt schon die neue Hiobsbotschaft. Das EU-Parlament stimmte Mitte März strengeren Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden zu. Was zunächst sinnvoll klingt und harmlos daherkommt, heißt: Bis 2030 sollen Wohngebäude mindestens die Energieeffizienzklasse „E“, bis 2033 die Energieeffizienzklasse „D“ erreichen. Und das kostet! Der Verband Haus & Grund befürchtet Investitionen von 150.000 Euro – allein pro betroffenem Einfamilienhaus. Bei Mehrfamilienhäusern sind es entsprechend mehr.

Kein Wunder, dass angesichts der ruinösen Pläne Verbände und Verbraucherschützer auf die Barrikaden gehen – aber auch Politiker anderer EU-Länder, ja selbst der Bundesregierung, die mit der Wärmepumpen-Initiative deutschen Hausbesitzern gerade erst einen anderen Kostenhammer verordnet hat.

Energetische Sanierungen stellen Eigentümer vor Herausforderungen

Die finanziellen und gesellschaftlichen Dimensionen des Vorhabens machen fassungslos. Millionen von Eigentümern müssen in den nächsten Jahren eine gründliche energetische Sanierung ihrer Gebäude vornehmen – ob sie es wollen oder nicht: Fenster austauschen, neue Solaranlagen auf das Dach und mehr Dämmung von Dachboden und Fassade. Dabei sind zuerst die Häuser und Wohnungen dran, die in den schlechtesten Energieklassen eines Landes eingeordnet sind. Es müssen also genau jene Hausbesitzer starten, deren Kosten ob das Nachholbedarfs besonders hoch ausfallen dürften. Sie müssen schon bis Ende des Jahrzehnts einen höheren Energiestandard erreichen. Womöglich parallel zum Einbau eines neuen Heizsystems.

Das Vorhaben ist Teil des sogenannten Green Deals, eines der Lieblingsprojekte der EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen. Was in weniger als drei Jahrzehnten Klimaneutralität erzielen soll, wird für die Hausbesitzer allerdings zum schlechten Deal. Wer dachte, seine Immobilie sei abbezahlt und die Kalkulation der Vermietung steht, sieht sich nun getäuscht. Ein zweites Mal binnen Wochen, denn mit der Quasi-Wärmepumpenpflicht ist bekanntlich eine weitere Zwangsmaßnahme im Anflug.

Kosten der EU-Sanierungspflicht lassen Hausbesitzer bluten

Die Energieklasse ihres Hauses können Besitzer im Energieausweis einsehen. Liegt keiner vor, können Eigentümer einen solchen Pass bei einem Energieberater in Auftrag geben – zu Kosten von mehreren hundert Euro. Wie teuer die EU-Sanierungspflicht Mehrfamilienhäusern dann ausfällt, kann man nur schätzen. In jedem Fall wird es heftig: Bei den rund 2,3 Millionen Ein- und Zweifamilienhäusern sowie 100.000 Mehrfamilienhäusern, die bis Ende des Jahrzehnts sanieren müssen, fallen laut Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) rund 17,2 Milliarden Euro an.Der Vorsitzende des Eigentümerverbandes Haus & Grund Deutschland, Kai Warnecke, rechnet mit Kosten von 1.000 bis 1.500 Euro pro Quadratmeter.
Zumindest soll es Fördermittel geben. Details dazu sind aber noch unklar. In Deutschland erhalten Sanierer bereits einen Bonus von der KfW – wenn ihr Gebäude zu den schlechtesten 25 % der deutschen Immobilien zählt. Der gesamte Umbau könnte laut KfW insgesamt 254 Milliarden Euro kosten.

Und wie so oft: Nicht nur Hausbesitzer müssen bluten. Vermieter können die Kosten an die Mieter weitergeben – als Erhöhung der Jahresmiete um 8 % der Modernisierungskosten. Bei 150.000 Euro können das 12.000 Euro sein – zusätzlich, nicht als Kaltmiete. Allerdings darf die Miete wegen Modernisierungen binnen sechs Jahren nur um maximal drei Euro je Quadratmeter steigen. Vermieter werden somit auf dem Großteil der ihnen auferlegten Kosten sitzen bleiben.

EU-Sanierungszwang sorgt für „sozialen Sprengstoff“

Da sorgen sich nicht nur Verbraucherschützer und Lobbyverbände, dass Eigentümer und Mieter von den Sanierungskosten überfordert werden. Der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Jürgen W. Falter von der Uni Mainz sieht sogar „sozialen Sprengstoff“, besonders bei jenen 14 % der Haushalte, die mehr als 40 % ihres verfügbaren Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Selbst in der Bundesregierung hat sich Widerstand geregt. Bundesbauministerin Klara Geywitz sagte dem Deutschlandfunk: „Ich persönlich halte das auch mit dem Grundgesetz nicht für vereinbar, dass man per Gesetz einen Sanierungszwang macht.“ Das sei „ein absolut harter Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer“ und „unverhältnismäßig“. Ebenfalls Unverständnis im Nachbarland: Österreichs Regierungschef Karl Nehammer bezeichnete die Pläne als „völlig weltfremd“.

Wirtschaftlicher Totalschaden für Hausbesitzer durch Sanierungspflicht?

Nach Daten der ARGE fielen im Jahr 2020 etwa 51 % oder 7,1 Millionen Eigenheime in die Energieeffizienzklassen E bis H (nach deutscher Energieklasseneinteilung, die sich von der EU leicht unterscheidet). Bei den Eigentumswohnungen sind es 32 % oder eine Million Wohnungen, bei den Mietwohnungen 31 % oder 6,1 Millionen Wohneinheiten, die den Klassen E bis H zuzuordnen sind. Vor allem diese Gebäude fallen damit unter den geplanten Sanierungszwang bis zum Jahr 2033. Überdurchschnittlich viele davon in Ostdeutschland.

Werden die EU-Pläne Wirklichkeit dürften etliche Hausbesitzer nach einer Überschlagszahlung wohl zu dem Schluss kommen, dass sich eine Sanierung finanziell nicht lohnt. Ihnen droht dann wirtschaftlicher Totalschaden: „Für viele Gebäude der Energieklassen F und G wird eine Sanierung keine Option sein, der Ersatzneubau mindestens 1.200 Milliarden Euro kosten.
Für unzählige private Eigentümer beendet die EU damit den Traum von den eigenen vier Wänden“, so Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke vor anderthalb Jahren bei der ersten Präsentation des EU-Schockprojekts.Warnecke äußerte starke Zweifel, ob sich die energetischen Mindestanforderungen bei vielen Gebäuden überhaupt technisch umsetzen ließen und ob ausreichend handwerkliche Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Ziele seien in den kurzen Zeiträumen kaum zu erreichen. „Das ist Politik aus dem Wolkenkuckucksheim. Das ist weder bezahlbar noch umsetzbar“, schimpft Warnecke jetzt anlässlich der Abstimmung.

Die EU will nun einen Kompromiss mit den Mitgliedstaaten finden – sofern die Gebäuderichtlinie überhaupt gesetzeskonform ist. Denn selbst Bundesjustizminister Marco Buschmann hat Zweifel an der rechtlichen Machbarkeit der Richtlinie: „Ich halte das für einen schwer zu rechtfertigenden Eingriff in das Eigentumsrecht, das ja auch von der Grundrechte Charta der EU geschützt wird.“ Es besteht also noch Hoffnung, dass die Abrissbirne der EU an Hausbesitzern vorüberfliegt.